„Frauen sind sprachlich begabt, Männer eher mathematisch.“, „Frauen verfügen über bessere Kommunikationsfähigkeiten als Männer.“, „Frauen haben mehr Talent für Sprachen als Männer.“ … Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor? Tatsächlich sind die meisten von uns es gewohnt, solche Statements zur hören. Es gibt eine VIELZAHL an Paradigmen und Stereotypen, die auf den Unterschieden zwischen Frauen und Männern basieren, und das auch auf intellektueller Ebene. Und auch beim Sprachenlernen, einem Gebiet, das für uns von besonderem Interesse ist. Zum Weltfrauentag am 8. März haben wir für Sie einen sehr informativen Artikel vorbereitet.
Letztes Update: 17. September 2024
Was verbirgt sich wirklich hinter diesen Stereotypen? Man sagt, dass in jedem Witz ein Funken Wahrheit steckt – kann man daher auch annehmen, dass an den Stereotypen bezüglich der Unterschiede zwischen Frauen und Männern auch etwas Wahres dran ist? Bestimmt das Geschlecht wirklich unsere Fähigkeit, eine neue Sprache zu erlernen? Und sind Frauen darin etwa besser als Männer? Das haben wir untersucht, und nun präsentieren wir das Ergebnis.
Zum Weltfrauentag: Lernen Frauen anders als Männer?
Frauen und Fremdsprachen: eine alte Geschichte, … die ihre Wurzeln in der Bildung hat
Man muss wissen, dass der Zusammenhang zwischen Frauen und lebenden Sprachen eine lange Geschichte ist. Denn wenn man ein wenig zurückblickt, oder seien es auch nur ein paar Jahre, dann wird einem schnell klar, dass das Lernen von Sprachen im 19. Jahrhundert ein zentrales Element in der Ausbildung von „jungen Bürgerlichen“ war. Wir sprechen hier von einer Epoche, in der Bildung einer Elite vorbehalten war. Um es in den Worten von Rebecca Rogers* auszudrücken: „1789 wurde zum Studium des Englischen und des Italienischen geraten, da diese beiden Sprachen als geeignet angesehen wurden, den Verstand der Frauen zu entwickeln.“ Die jungen Mädchen mussten mindestens eine Stunde täglich mit Sprachstudien verbringen, sprich ein Viertel der ihrer Ausbildung gewidmeten Zeit. Und die „bescheidene Tätigkeit des Übersetzers“ passte (laut Necker de Saussure) besser zu Frauen als zu Männern. Die lebenden Sprachen waren ein fester Bestandteil der Ausbildung dieser jungen, bürgerlichen Frauen.
Warum? Weil das Lernen laut Necker de Saussure als eine Art und Weise darstellt, die „Intelligenz als Ganzes zu kultivieren“.
Die „Intelligenz als Ganzes“. Oder vielleicht … aber es wird nichts über die Fähigkeiten der Frauen zum Sprachenlernen gesagt (das Thema, welches uns in diesem Beitrag interessiert).
Das Phänomen der mehrsprachigen Frau!
Heute kann dieses Phänomen noch genauer beziffert werden. Frauen liegen im Bereich Sprachen weiterhin vorne, und mehr noch, in bestimmten literarischen Branchen gibt es anteilsmäßig sogar viel mehr Frauen als Männer: von 95 540 Studenten der Sprachwissenschaften macht der Anteil der Frauen 70,1 % aus. Und von 110 813 Sprachstudenten sind 74,1 % Frauen** (diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2016 und die Situation in Frankreich, aber auch in Deutschland überwiegt der Frauenanteil in kultur- und sprachwissenschaftlichen Studienfächern). Laut der gleichen Autorin, Rebecca Rogers, sind „die lebenden Sprachen die feminisierteste Richtung in der weiterführenden Schulbildung“. Ob die hohe feminine Präsenz in den linguistischen Berufsfeldern nun unseren intellektuellen Fähigkeiten auf diesem Gebiet geschuldet ist oder eher ein Erbe darstellt oder schlichtweg eine Sache von Vorlieben ist … wir können es noch nicht mit Sicherheit sagen.
In den 30er-Jahren gab es heftige Diskussionen über die (eventuell unterschiedlichen) sprachlichen Eignungen von Frauen und Männern. Die französische Universitätszeitschrift Revue Universitaire hatte einigen Professoren und Lehrern einen Fragebogen zugeschickt, um deren Meinung zu dieser Frage zu hören. Ziel war es, herauszufinden, ob es Männer oder Frauen sind, die über bessere Fähigkeiten zum Sprachenlernen verfügen). Jeanne Crouzet Ben Aben, die verantwortliche Dame bei der Revue Universitaire, wollte eine Studie über dieses Thema veröffentlichen, … jedoch ohne Erfolg. Leider konnte keine präzise und klare Antwort formuliert werden. Um es in ihren Worten auszudrücken: „Die Meinungen über die Gleichheit des Maßes an Intelligenz von Jungen und Mädchen gehen auseinander“.
Ein befragter Sprachlehrer hat seine Gedanken auf diese Frage folgendermaßen ausgeführt (Achtung, wir wiederholen nur seine Worte). Er gab an, über die hohe Mädchenanzahl in sprachlichen Fächern erstaunt zu sein. Deshalb konnte er nicht genau bestimmen, „ob diese Vorliebe für Sprachen auf eine wirklich weibliche Gabe zurückzuführen sei, oder viel mehr auf den Wunsch, die Unterlegenheit in den Wissenschaften um jeden Preis zu kompensieren. Eine Unterlegenheit, die sie laut eigener Aussage als ein Vorrecht ihres Geschlechts betrachten“. Danke, Herr Professor, für diese Überlegungen zu den intellektuellen Fähigkeiten der Frauen, darauf kommen wir noch einmal zu sprechen.
Ob es nun eine Sache von Vorlieben ist oder ob es um die Kompensation von Schwächen in den Bereichen der Wissenschaft und Technik geht oder ob es sich um ein Erbe oder natürliche Eignungen handelt … das ist eigentlich gleich. Das Phänomen der mehrsprachigen Frauen ist nichts Neues und es besteht heute weiterhin fort. Starke Frauen wie Ellen Jovin mit ihrer Leidenschaft für Sprachen, die und nicht weniger als 20 (!) Sprachen beherrscht, oder auch Judith Meyer, eine mehrsprachige Autorin und Sprachexpertin (sie spricht 13 Sprachen!), sind der lebende Beweis dafür.
Meine Damen, warum lernen Sie Englisch? MosaLingua befragt seine Nutzerinnen …
Da uns diese Debatte interessiert, haben wir bei MosaLingua unsere eigene kleine Umfrage unter unseren weiblichen Nutzern durchgeführt, um deren Motivation und Gründe zum Lernen herauszufinden, sowie die Probleme, die ihnen das Sprachenlernen bereitet (eine gute Gelegenheit, unsere weiblichen Nutzer besser kennenzulernen). Und laut dieser Umfrage:
- nutzen 37 % der Frauen MosaLingua mehrmal täglich, während es unter den Männern 30 % sind (was aber auch nicht schlecht ist!);
- lernen Frauen Sprachen vor allem aus Freude am Lernen (62 %), aus Spaß am Reisen und fürs Reisen (70 %) oder für ihre persönliche Entwicklung (77 %), während Männer Sprachen allem voran aus beruflichen Gründen (45 %, bei den Frauen sind es nur 22 %) oder für die Schule (10 %, hier sind es 7 % bei den Frauen) lernen.
Bemerkung: Ein voreiliger Schluss wäre, dass Frauen „für sich selbst“ und Männer, weil sie dazu „gezwungen“ werden, aber das ist wirklich nur ein voreiliger Schluss.
Sind Frauen beim Sprachenlernen besser als Männer … oder einfach anders?
Dieses Thema sorgt übrigens (nicht nur bei MosaLingua) für Aufregung! Auch viele Wissenschaftler und Linguisten haben sich damit beschäftigt und die meisten von ihnen kommen zum Ergebnis, dass das Geschlecht nicht wirklich ausschlaggebend für unsere Fähigkeit zum Erwerb einer neuen Sprache ist. Vielmehr sind es das soziale und kulturelle Umfeld des Lernenden. Auch wenn das EPI-Ranking zeigt, dass die Englischkenntnisse von Frauen generell besser sind als die von Männern, sollten wir berücksichtigen, dass es vor allem bei den Lernmethoden Unterschiede gibt. Wenn man sich ein bisschen mit dieser Fragestellung beschäftigt und sich sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse ansieht, so sieht man schnell, dass Männer und Frauen nicht auf die gleiche Weise arbeiten. In diesem Kontext sind zwei Studien besonders nennenswert.
Die erste stammt aus dem Jahr 1995. Ein amerikanischer Wissenschaftler hat medizinische Bilder genutzt, um das Gehirn von 19 Frauen und von 19 Männern zu untersuchen, welche sich einem Sprachtest unterzogen haben: Rechtschreibung, Semantik, Aussprache … mit welchem Ergebnis? Bei Männern war allem die linke Gehirnhälfte aktiv. In dieser Zone findet auch die sprachliche Verarbeitung statt (Generell kann man sagen, dass die linke Gehirnhälfte für logische, analytisch und rationale Prozesse verantwortlich ist, während kreative und emotionale Prozesse in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden). Bei den Frauen waren beide Gehirnhälften aktiv. Ihr Gehirn arbeitet mehr und stellt mehr Verbindungen her. Dennoch wurde bei diesem Test jedoch kein Unterschied zwischen den Leistungen der Männer und der Frauen festgestellt. In anderen Worten: Ja, wir nutzen unser Gehirn anders, aber mit dem gleichen Ergebnis.
Die zweite Studie beweist ebenfalls eine andere Art zu lernen, aber mehr in Bezug auf die Methodik und die Hilfsmittel. Laut der internationalen Universitätszeitschrift Porta Linguarum kommen in Europa durchgeführte Studien zum gleichen Ergebnis wie Studien aus Asien oder Lateinamerika: Frauen nutzen andere und vielfältigere Methoden zum Sprachenlernen, wie Lesen und Schreiben, und konzentrieren sich auf andere Sprachelemente wie Vokabeln und die Aussprache, während Männer sich oft auf eine einzige Sache konzentrieren.
Fazit
Beweisen diese Studien, dass Frauen mehr Talent für Sprachen besitzen als Männer? Beweisen sie, dass es unterschiedliche intellektuelle Fähigkeiten zwischen Männern und Frauen gibt? Ein klares Nein ist die Antwort.
Sie beweisen schlichtweg, dass Männer und Frauen, was das Lernen angeht, unterschiedlich funktionieren. Ja, Frauen sind in literarischen und linguistischen Fachbereichen häufiger anzutreffen. Aber das zeigt vielleicht auch, dass Männer und Frauen unterschiedliche Vorlieben und berufliche Ambitionen haben. Und wir haben das Phänomen von mehrsprachigen Frauen zur Sprache gebracht, … genauso wie wir das Phänomen mehrsprachiger Männer hätten betrachten können! Wir bleiben in der Tat gleichgestellt in Bezug auf unsere Leistungen beim Sprachenlernen, und dies, obwohl wir anders funktionieren. Der Krieg zwischen den Geschlechtern wird hiermit am Weltfrauentag für beendet erklärt.
*Les femmes dans l’enseignement des langues vivantes : éléments pour une histoire à construire, vo Rebecca Rogers. Université de Marc Bloch, Straßburg.
**Etude INSEE, 2014, „Etudiants inscrits en Université par discipline“.
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