Zum Weltfrauentag am 8. März morgen haben wir einen sehr informativen Artikel vorbereitet.

Weltfrauentag bei MosaLingua

„Frauen sind sprachlich begabt, Männer mathematisch“,
„Frauen verfügen über bessere Kommunikationsfähigkeiten als Männer“,
„Frauen haben mehr Talent für Sprachen als Männer“…
Der Inhalt dieser Statements überrascht Sie vielleicht nicht, im Sinne davon, dass wir es gewohnt sind, solche Dinge zu hören. Es gibt eine VIELZAHL an Paradigmen und Stereotypen, die auf den Unterschieden zwischen Frauen und Männern basieren, und das auch auf intellektueller Ebene. Auch beim Sprachenlernen, einem Gebiet, das für uns von besonderem Interesse ist.

Aber was verbirgt sich wirklich hinter diesen Stereotypen? Man sagt, dass in jedem Witz ein Funken Wahrheit steckt: kann man daher auch annehmen, dass an den Stereotypen bezüglich der Unterschiede zwischen Frauen und Männern auch etwas Wahres dran ist?
Bestimmt das Geschlecht wirklich unsere Fähigkeit, eine neue Sprache zu erlernen? Und sind Frauen darin wirklich besser als Männer? Das haben wir untersucht, und nun präsentieren wir das Ergebnis.

Frauen und Fremdsprachen … eine alte Geschichte … der Bildung

weltfrauentag-lernen-frauen-besser-als-manner-mosalinguaMan muss wissen, dass der Zusammenhang zwischen Frauen und lebenden Sprachen eine lange Geschichte darstellt. Denn wenn man ein wenig zurückblickt, oder seien es auch nur ein paar Jahre, dann wird einem schnell klar, dass das Lernen von Sprachen ein zentrales Element in der Ausbildungen von jungen Bürgerlichen* war. Ich sage „junge Bürgerliche“, da ich von einer Epoche spreche, in der Bildung einer Elite vorbehalten war, und zwar dem 19. Jahrhundert. Um es in den Worten von Rebecca Rogers* auszudrücken: „1789 wurde zum Studium des Englischen und des Italienischen geraten, da diese beiden Sprachen als geeignet angesehen wurden, den Verstand der Frauen zu entwickeln“. Die jungen Mädchen mussten mindestens eine Stunde täglich mit Sprachstudien verbringen, sprich ein Viertel der ihrer Ausbildung gewidmeten Zeit. Und die „bescheidene Tätigkeit des Übersetzers“ passte (laut Necker de Saussure) besser zu Frauen als zu Männern. Die lebenden Sprachen waren ein fester Bestandteil der Ausbildung dieser jungen, bürgerlichen Frauen.
Warum? Weil das Lernen laut Necker de Saussure als eine Art und Weise darstellt, die „Intelligenz als Ganzes zu kultivieren“.

Die Intelligenz als Ganzes. Oder vielleicht… aber es wird nichts über die Fähigkeiten der Frauen zum Sprachenlernen gesagt (das Thema welches uns heute interessiert, ich betone es nochmals).

Nicht nur am Weltfrauentag: das Phänomen der mehrsprachigen Frau!

Heute kann dieses Phänomen noch genauer beziffert werden. Frauen lernen weiterhin Sprachen, und mehr noch, in bestimmten literarischen Branchen gibt es anteilsmäßig sogar viel mehr Frauen als Männer: von 95’540 Studenten der Sprachwissenschaften macht der Anteil der Frauen 70,1% aus. Und von 110’813 Sprachstudenten sind 74,1% Frauen (diese Zahlen gelten für Frankreich, aber auch in Deutschland überwiegt der Frauenanteil in kultur- und sprachwissenschaftlichen Studienfächern).
Laut der gleichten Autorin, Rebecca Rogers, sind „die lebenden Sprachen die feminisierteste Richtung in der weiterführenden Schulbildung“. Ob die hohe feminine Präsenz in den linguistischen Berufsfeldern nun unseren intellektuellen Fähigkeiten auf diesem Gebiet geschuldet ist, oder eher ein Erbe darstellt oder schlichtweg eine Sache von Vorlieben ist … wir können es noch nicht mit Sicherheit sagen.

weltfrauentag-lernen-frauen-besser-als-manner-mosalinguaIn den 30er Jahren gab es heftige Diskussionen über die (eventuell unterschiedlichen) sprachlichen Eignungen von Frauen und Männern. Die französische Universitätszeitschrift „Revue Universitaire“ hatte einigen Professoren und Lehrern einen Fragebogen zugeschickt, um deren Meinung zu dieser Frage zu hören (Ziel war es, herauszufinden, ob Männer oder Frauen bessere Fähigkeiten zum Lernen von Sprachen besitzen). Jeanne Crouzet Ben Aben, die verantwortliche Dame bei der „Revue Universitaire“, wollte einen Bericht über dieses Thema schreiben… ohne Erfolg. Leider konnte keine präzise und klare Antwort formuliert werden. Um es in ihren Worten zu sagen „die Meinungen über die Gleichheit des Maßes an Intelligenz von Jungen und Mädchen gehen auseinander“.
Ein befragter Spanischlehrer hat seine Gedanken auf diese Frage folgendermaßen ausgeführt (Achtung, ich wiederhole nur seine Worte). Er gab an, über die hohe Mädchenanzahl in sprachlichen Fächern erstaunt zu sein. Deshalb konnte er nicht genau bestimmen, „ob diese Vorliebe für Sprachen auf eine wirklich weibliche Gabe zurückzuführen sei, oder viel mehr auf den Wunsch, die Unterlegenheit in den Wissenschaften um jeden Preis zu kompensieren. Eine Unterlegenheit, die sie laut eigener Aussage als ein Vorrecht ihres Geschlechts betrachten“. Danke, Herr Professor. Danke für diese Überlegungen zu den intellektuellen Fähigkeiten der Frauen, darauf kommen wir noch einmal zu sprechen.

weltfrauentag-lernen-frauen-besser-als-manner-mosalinguaOb es nun eine Sache von Präferenzen ist, oder ob es um die Kompensation von Schwächen in den Bereichen der Wissenschaft und Technik geht, oder ob es sich um ein Erbe oder natürliche Eignungen handelt… egal. Das Phänomen der mehrsprachigen Frauen ist nichts Neues. Dieses gibt es heute noch genauso. Strake Frauen wie Ellen Jovin, welche eine Leidenschaft für Sprachen besitzt und welche nicht weniger als 20 Sprachen beherrscht, oder auch Judith Meyer, eine mehrsprachige Autorin und Sprachexpertin (sie spricht 13 Sprachen!), sind der lebende Beweis dafür.

Meine Damen, warum lernen Sie, Englisch zu sprechen? MosaLingua testet seine Leserinnen…

Da uns diese Debatte interessiert, haben wir bei MosaLingua unsere eigene kleine Umfrage unter unseren weiblichen Nutzern durchgeführt, um deren Motivation und Gründe zum Lernen herauszufinden, sowie die Probleme, die ihnen das Sprachenlernen bereitet (eine gute Gelegenheit, unsere weiblichen Nutzer besser kennen zu lernen). Und laut dieser Umfrage,

  • nutzen 37% der Frauen MosaLingua mehrmal täglich, gegenüber 30% der Männer (das ist aber auch nicht schlecht, wenn man ehrlich ist)
  • lernen Frauen Sprachen vor allem aus Freude am Lernen (62%), aus Spaß und für’s Reisen (70%) oder für ihre persönliche Entwicklung (77%), während Männer Sprachen allem voran aus beruflichen Gründen (45% gegenüber 22% der Frauen) oder für die Schule (10% gegenüber 7%) lernen.
    Bemerkung: wenn ich einen voreiligen Schluss ziehen müsste, so würde ich sagen, Frauen lernen für sich selbst und Männer, weil sie dazu „gezwungen“ werden, aber das ist wirklich nur ein voreiliger Schluss.

Sind Frauen beim Sprachenlernen besser als Männer… oder einfach anders?

Und glauben Sie es oder nicht, aber dieses Thema sorgt für Aufregen (nicht nur bei MosaLingua). Auch viele Wissenschaftler und Linguisten haben sich damit beschäftigt. Und die meisten von ihnen kommen zum Ergebnis, dass nicht wirklich das Geschlecht ausschlaggebend für unsere Fähigkeit zum Erwerb einer neuen Sprache ist, sondern ganz einfach das soziale und kulturelle Umfeld des Lernenden. Auch wenn das EPI-Ranking zeigt, dass die Englischkenntnisse von Frauen generell besser als die von Männern sind, so sollten wir berücksichtigen, dass sich vor allem die Lernmethoden unterscheiden. Wenn man sich ein bisschen mit dieser Fragestellung beschäftigt und sich sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse ansieht, so erfährt man sehr schnell, dass Männer und Frauen nicht auf die gleiche Weise arbeiten. In diesem Kontext sind zwei Studien besonders nennenswert.

weltfrauentag-lernen-frauen-besser-als-manner-mosalinguaDe erste stammt aus dem Jahr 1995. Ein amerikanischer Wissenschaftler hat medizinische Bilder genutzt, um das Gehirn von 19 Frauen und von 19 Männern zu untersuchen, welche sich einem Sprachtest unterzogen haben: Rechtschreibung, Semantik, Aussprache… mit welchem Ergebnis? Bei Männern ist vor allem die linke Gehirnhälfte aktiviert. In dieser Zone findet auch die sprachliche Verarbeitung statt (generell kann man sagen, dass die linke Gehirnhälfte für logische, analytisch und rationale Prozesse verantwortlich ist, während kreative und emotionale Prozesse in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden). Bei den Frauen waren beide Gehirnhälften aktiviert. Ihr Gehirn arbeitet mehr, und stellt mehr Verbindungen her. Dennoch wurde bei diesem Test kein Unterschied zwischen den Leistungen der Männer und der Frauen festgestellt. In anderen Worten: ja, wir nutzen unser Gehirn anders, aber mit dem gleichen Ergebnis. Nur die Methode ist anders.

Die zweite Studie beweist ebenfalls eine andere Art zu lernen, aber mehr in Bezug auf die Methodik und die Hilfsmittel. Laut der internationalen Universitätszeitschrift Porta Linguarum kommen in Europa durchgeführte Studien zum gleichen Ergebnis wie Studien aus Asien oder Lateinamerika: Frauen nutzen andere und vielfältigere Methoden zum Sprachenlernen wie Lesen und Schreiben, und konzentrieren sich auf andere Sprachelemente wie Vokabeln und die Aussprache… während Männer sich oft auf eine einzige Sache konzentrieren.

Beweisen diese Studien, dass Frauen mehr Talent für Sprachen besitzen als Männer? Beweisen sie, dass es unterschiedliche intellektuelle Fähigkeiten zwischen Männern und Frauen gibt? Ein klares nein ist die Antwort.
Sie beweisen schlichtweg, dass Männer und Frauen anders funktionieren… selbst wenn es um’s Lernen geht. Ja, Frauen sind in literarischen und linguistischen Universitätsdisziplinen häufiger anzutreffen. Aber das zeigt vielleicht auch, dass Männer und Frauen unterschiedliche Vorlieben und berufliche Ambitionen haben. Und wir haben das Phänomen von mehrsprachigen Frauen zur Sprache gebracht… genauso wie wir das Phänomen mehrsprachiger Männer hätten nennen können! Wir bleiben in der Tat gleichgestellt in Bezug auf unsere Leistungen beim Sprachenlernen, und dies, obwohl wir anders funktionieren. Der Krieg zwischen den Geschlechtern wird hiermit, an dem heutigen Weltfrauentag, für beendet erklärt.

*Les femmes dans l’enseignement des langues vivantes : éléments pour une histoire à construire, vo Rebecca Rogers. Université de Marc Bloch, Straßburg.
*Etude INSEE, 2014, „Etudiants inscrits en Université par discipline“.