Eine neue Sprache öffnet Ihnen nicht nur die Tür zu einer für Sie vollkommen neuen und aufregend farbenfrohen Welt, sondern ermöglicht Ihnen auch, sich selbst von einer ganz neuen Seite kennenzulernen. Erfahren Sie in diesem Artikel, warum Sie sich vielleicht durch ein Kaleidoskop von Persönlichkeiten auszeichnen, wenn Sie mehr als nur eine Sprache sprechen und wie Sprache schlussendlich das Denken beeinflusst, formt und verändert.

andere Sprache, anderes Denken

Am Anfang ward die Muttersprache…

Sprache besitzt Macht. Sie verrät unsere Herkunft und die darin vor findbare Kultur, der wir angehören. Oftmals ist ein einziges Wort oder ein ganz banaler Satz ausreichend, um bestimmen zu können, woher jemand kommt.

Die Sprache, in der Sie gelernt haben zu kommunizieren, beinhaltet die Werte, die Ihnen Ihre Eltern vermittelt haben und erlaubt Ihnen, Ihre Gefühle in einer ganz bestimmten Art und Weise auszudrücken. Ihre Muttersprache bestimmt somit Ihre Denk- und Verhaltensweisen von aller frühester Kindheit an. Noch dazu ist sie natürlich Ihre ständige Begleiterin: 24 Stunden lang und an jedem einzelnen Tag.

Sprachliche Feinheiten, wie beispielsweise verschiedene Konnotationen, wie sie nur ein Muttersprachler kennt, können niemals hundertprozentig erlernt werden. Deshalb ist es vor allem bei fachlich fundierten Übersetzungen äußerst wichtig, dass diese von Muttersprachlern gemacht werden.

Andere Sprache, anderer Mensch?

Eine zweite Sprache zu sprechen bringt viele Vorteile mit sich. Neben neuen Freund- und Bekanntschaften im Ausland verbessern Sie auch gleichzeitig die kognitive Funktion Ihres Gehirns. Obwohl Sie nicht mehrere Sprachen zugleich verwenden können, bleibt Ihr Gehirn in den beiden Sprachen, die Sie beherrschen, stets aktiv. Noch dazu schützt Bilingualität sogar vor Gedächtnisverlust.

Haben Sie manchmal den Eindruck, Sie wären ein völlig anderer Mensch, wenn Sie in einer Fremdsprache kommunizieren? Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie haben nun zwei verschiedene Persönlichkeiten, die doch beide gleichzeitig in Ihnen wohnen, seitdem Sie sich in einer anderen Sprache als Ihrer Muttersprache verständigen können?

 

Same but different

Erkennen Sie sich oft nicht wieder, wenn Sie Englisch in Großbritannien sprechen? Vielleicht sind Sie eigentlich niemand, der sich besonders oft bedankt oder entschuldigt. Wenn Sie sich allerdings im „Land des Tees“ befinden, ertappen Sie sich häufig dabei, wie Sie verschiedenste englische Höflichkeitsfloskeln verwenden.

Sie sagen thank you bei fast schon jeder sich bietenden Gelegenheit, aus Unsicherheit fügen Sie ein schnelles please hinzu und Sie entschuldigen sich dafür, wenn Sie jemand auf der Straße anrempelt.

Das alles kommt Ihnen dabei vollkommen normal und richtig vor. Die englische Sprache hat Sie sozusagen zu einem höflicheren Menschen, als Sie normalerweise sind, gemacht.

 

Kann eine andere Sprache das Bewusstsein verändern?

Wie die Gebrüder Grimm den Spiegel in ihrem Märchen Schneewittchen erkennen lassen, wer die Schönste im ganzen Land ist, so kann Ihr Gegenüber einiges über Sie in Erfahrung bringen: „Sag‘ mir, welche Sprache du sprichst und ich sage dir, wer du bist.“

Wenn Sie also eine neue Sprache lernen, dann ist der Spracherwerb zwar ein aktiver sowie selbstgesteuerter Prozess, aber hinzukommen noch weitere kognitive Veränderungen, die Ihnen so gar nicht bewusst sind. Sie lassen nämlich nicht nur Ihre Muttersprache zurück, sondern auch die damit verbundenen Werte, Denk- und Verhaltensweisen, die Ihre Identität schon seit Ihrer Kindheit bestimmt und geprägt haben.

Somit verabschieden Sie sich von einem entscheidenden Teil Ihrer Persönlichkeit, wenn Sie eine andere Sprache beherrschen. Gleichzeitig entwickeln Sie eine neue Identität mit neuen Denk- und Verhaltensmustern. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Sie sich manchmal vielleicht nicht wiedererkennen oder überrascht sind, dass Sie anders über eine Sache denken, wenn Sie eine andere Sprache sprechen.

 

Der Zusammenhang zwischen Sprache und Denken

Ist Sprache abhängig vom Denken oder ist Denken abhängig von Sprache? Oder besteht sogar eine Korrelation zwischen Sprache und Denken?

Es gibt klare Beweise dafür, dass unsere Denkweise die Art, wie wir sprechen, beeinflusst. Auch die jeweilige Sprache, die wir beherrschen, bestimmt unser Denken.

Kennen Sie das Sprichwort Ehrlichkeit währt am längsten? Wie oft fällt es einfach schwer, seinem Gegenüber die Wahrheit zu sagen. Ihre Art zu denken ermöglicht es Ihnen abzuwägen, ob Sie die Wahrheit lieber sofort auf den Punkt bringen möchten oder es bevorzugen, sie durch die Blume zu sagen. So können Sie zunächst darüber nachdenken, wie Sie ihre Ehrlichkeit bestmöglich verbalisieren möchten.

 

Grün, grün, grün, sind alle meine Kleider – Wie Sprache Wahrnehmung beeinflusst

Je mehr Wörter Sie in der jeweiligen Sprache, in der Sie kommunizieren, kennen, desto differenzierter wird auch Ihre Wahrnehmung sein. Es gibt dafür einige konkrete Beispiele, die verdeutlichen, wie Sprache Wahrnehmung beeinflusst.

My friend’s dress is green. Sie können das Kleid Ihrer Freundin noch viel spezifischer beschreiben, nachdem Sie ein neues Wort für Grün, wie zum Beispiel lime erworben haben. Somit können Sie ausdrücken, dass das Kleid nicht nur grün, sondern sogar lindgrün ist.

So kann ein erweiterter Wortschatz Ihnen dabei helfen, Farben in der Zielsprache um einiges gezielter zu differenzieren und auszudrücken.

Wussten Sie, dass es nicht die Eskimos sind, die die meisten Wörter für Schnee haben, sondern die Schotten? Laut Forschern der Glasgow University beschreiben Schotten den gefrorenen Zustand des Wassers mit sage und schreibe 421 Wörtern. So bezeichnen Schotten beispielsweise Schneeschauer als flindrinkin und herum wirbelnden Schnee als feefle.

 

Wo bin ich? Sprache ist Orientierung

Wo steht ihr Wecker eigentlich genau? Höchstwahrscheinlich sind Sie in der Lage dazu, ganz konkrete Angaben über den Ort Ihrer Alarm Clock, die Sie allmorgendlich aus dem Schlaf reißt, zu machen. Sie sagen vielleicht, dass dieser sich links oder rechts neben Ihrem Bett befindet.

Es gibt jedoch Sprachen, wie beispielsweise Guugu Yimithirr in Australien und Tzeltalin Mexiko, in denen die Wörter rechts und links einfach nicht existieren. Stattdessen basieren diese Sprachen auf den Himmelsrichtungen.

Wenn Sie daher jemanden mit einen dieser beiden Sprachen fragen, wo denn deren Wecker zu verorten ist, dann werden Sie daraufhin die außergewöhnliche Antwort erhalten, dass dieser seinen Platz vielleicht südwestlich oder nordnordöstlich des Bettes findet.

Sprecher, die in den Sprachen Guugu Yimithirr oder Tzeltal kommunizieren, verstehen die Positionen von Gegenständen anders, als jene, deren Wortschatz die beiden Wörter rechts und links beinhaltet. Erstere besitzen sozusagen einen mentalen Kompass, den sie jederzeit bei sich tragen.

 

What’s the time? Wie Sprache unser Zeitverständnis prägt

Sprache kann nicht nur die Orientierung wesentlich beeinflussen, sondern auch das Verständnis von Zeit bestimmen.

Die im US-Bundesstaat Arizona lebenden Hopi-Indianer folgen beispielsweise nicht einem linearen Zeitverständnis, sondern viel mehr einem zyklischen. Sie erachten Zeit als ein Kontinuum, machen Gebrauch von Kalendern und markieren sie mittels verschiedener Naturmaterialien, wie Hölzern.

Nach unserem westlichen Zeitverständnis bewegt sich der Mensch auf der Linie Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft immer vorwärts. Nicht so bei den Hopi-Indianern. Diese erachten Zeit als ein Kontinuum, womit beispielsweise das immer wiederkehrende Auftreten der Jahreszeiten gemeint ist.

 

Wie beeinflusst Sprache das Denken?

„Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten!“ Woran denken Sie gerade? Doch nicht etwa an einen rosaroten Elefanten?

Das Phänomen des rosa Elefanten zeigt zweierlei. Erstens: diese Aufforderung endet genau in jenem Gedanken, dem keine Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Zweitens: trotz der Tatsache, dass dieses farbenfrohe Tier in der Realität gar nicht existiert, ist es uns problemlos und ohne jegliche Vorbereitung möglich, uns genau einen solchen rosa Elefanten bildhaft vorzustellen.

Aus dem rein sprachlichen Begriff rosa Elefant wird somit in unserem Gehirn eine automatisierte visuelle Vorstellung eines solchen surrealen Lebewesens erzeugt. So ist es uns auch ein Leichtes, uns einen Zebrastreifen auf einer Banane sowie eine zebragestreifte Banane auszumalen.

 

Grammar ist the mother of all confusion…

Sprache kann Ihr Denken somit auf vielfältige Arten und Weisen beeinflussen. Einen weiteren Hinweis darauf findet man beispielsweise in der Grammatik.

In einer Studie zur Untersuchung des Einflusses des grammatikalischen Geschlechts auf die menschliche Wahrnehmung wurden deutsch- und französischsprachige Schüler*innen zur Verwendung von Artikeln bei Nomen in beiden Sprachen befragt. Dabei konnte festgestellt werden, dass je nachdem, ob es sich um ein maskulines oder feminines Nomen handelt, spezifische Attribute damit assoziiert werden.

Interessant war dabei eine Gegenüberstellung zwischen der Sonne und dem Mond. Die Sonne, ein Femininum, wurde von den Schüler*innen als hell sowie warm anerkannt, wohingegen der Mond, ein Maskulinum, mit Dunkelheit assoziiert wurde. Der Hund wurde sowohl von den deutsch-, als auch französischsprachigen Lernenden als gefährlich beschrieben. Die Katze hingegen wurde als klein und liebenswürdig empfunden.

Das grammatikalische Geschlecht bestimmt somit stark, welches Bild wir von dem jeweiligen Nomen vor unserem inneren Auge haben. Unabhängig davon, um welche Sprache es sich letztendlich handelt, zeigt die Studie, dass ein Femininum eher mit positiv behafteten Attributen assoziiert wird, während ein Maskulinum das Gegenteil bezeugt.

 

Denken ohne Sprache?

Denken scheint ohne Sprache unvorstellbar zu sein. Wie sonst kann unser Gehirn Gedanken überhaupt erst erzeugen, ohne jegliche Form von Sprache?

Ein Experiment der beiden US-Psychologinnen McCrink und Wynn von der Yale University zeigt, dass nur wenige Monate alte Kinder noch vor dem Spracherwerb ein Mengenverständnis für einen Zahlenbereich von eins bis vier besitzen.

In ihrem Versuch füllten die beiden Wissenschaftlerinnen zwei Behälter vor den Augen von zehn bis zwölf Monate alten Babys mit Keksen. Obwohl die Babys nicht zählen konnten, gelang es ihnen, letztendlich zu jenem Behälter zu krabbeln, in dem mehr Kekse als in dem anderen vorzufinden waren.

Ab einer höheren Anzahl als vier Keksen passierte die Auswahl der Behälter nur mehr nach dem Zufallsprinzip. Das Experiment zeigt demnach, dass Babys nach ihrem bildlichen Vorstellungsvermögen arbeiteten und keinerlei Sprache bedurften.

Sprache formt das Denken und es gibt heute klare Indizien und eine Vielzahl von konkreten Beispielen dafür. Die Sprachen, die Sie sprechen, stellen einen wesentlichen Teil Ihrer Identität dar. Je nachdem, in welcher Sprache Sie gerade kommunizieren, werden auch Ihr persönliches Denken und Handeln dementsprechend variieren. Sind Sie bereit, sich auf eine Selbsterkundungsreise in einer anderen Sprache einzulassen? Ready, steady, go!

 

Über den Autor

andere Sprachen Neuhold

Christoph Neuhold ist beim Übersetzungsbüro Translate Trade für die Bereiche Qualitäts- und Projektmanagement zuständig. Er vertritt das Unternehmen auf Messen und Veranstaltungen und teilt seine Erfahrungen wie Sprachen Ihre Wahrnehmung verändern.

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